70 Jahre Wannsee-Konferenz

Große deutsch-österreichische Delegation begeht Gedenktag in Israel

Siebzig Vertreter von dreißig protestantischen Kirchen, Gemeinden und christlichen Werken aus Deutschland und Österreich haben Donnerstag und Freitag in Israel des 70. Jahrestages der berüchtigten Wannsee-Konferenz gedacht. Am 20. Januar 1942 beschlossen die Leiter der deutschen Reichsministerien in der Villa Wannsee vor den Toren Berlins die „Endlösung der Judenfrage“, d.h. die systematische Vernichtung aller Juden Europas.

Initiator der Gedenk-und Begegnungsreise war die Internationale Christliche Botschaft Jerusalem (ICEJ). Den Höhepunkt des zweitägigen Programmes stellte die Kranzniederlegung am Freitagvormittag in der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem dar.

Kranzniederlegung in Yad Vashem

Die Delegierten aus Deutschland und Österreich, die gemeinsam rund zehn Millionen Deutsche und Österreicher aus protestantischen, evangelikalen, charismatischen und pfingstlerischen Gemeinden repräsentieren, legten fünfunddreißig Kränze zu Ehren der Opfer des Holocaust nieder. Auch Vertreter lokaler Gemeinden und Organisationen waren vertreten. So beteiligte sich neben Ingolf Ellßel, dem Vorsitzenden der Europäischen Pfingstbewegung, und Hannelore Illgen vom Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen aus Deutschland auch Propst Dr. Uwe Gräbe von der Evangelischen Erlöserkirche aus Jerusalem an der Kranzniederlegung. Vertreter des Hilfswerks Zedakah und der Evangelischen Marienschwestern waren ebenso beteiligt wie Abgesandte des Christlichen Forums für Israel aus Deutschland, der Internationalen Christlichen Handelskammer und des Werkes „Christus für alle Nationen“. Allein aus Österreich waren neun Delegierte von Werken und Gemeinden angereist. Ihre Teilnahme hatte der österreichische ICEJ-Leiter Magister Karl Klanner koordiniert.

Gedenken und verantwortliches Handeln

In der anschließenden Feierstunde wandte sich Gottfried Bühler, neuer Leiter der ICEJ-Deutschland, an die feierlich Versammelten: „Auch nach 70 Jahren beugen wir uns vor dem jüdischen Volk und möchten unsere tiefe Beschämung, Betroffenheit und Trauer ausdrücken für den Horror des Holocaust“, erklärte er. „Wir versprechen Ihnen heute, dass wir die Erinnerung wachhalten werden. Die Tiefe und der Schrecken des Holocaust sollen uns ein Mahnmal für die Zukunft sein.“

Bühler, der seinen zehnjährigen Sohn Silas zur Gedenkzeremonie mitgebracht hatte, verwies auf die vielen positiven und hoffnungsvollen Entwicklungen im deutsch-israelischen Verhältnis: Das Wachsen der jüdischen Gemeinden in Deutschland, die vielen deutschen Israelbesucher sowie von zahlreichen deutschen Christen unterstützte Sozialprojekte in Israel. „Gedenken allein reicht nicht aus. Es muss begleitet sein von verantwortlichem Handeln“, erklärte er. Zusammen mit seinem Bruder Dr. Jürgen Bühler, dem Gesamtleiter der ICEJ in Jerusalem, überreichte er der Gedenkstätte einen Scheck über 200 000 Schekel (ca. 40 000 Euro) für die alljährlich stattfindende internationale Konferenz für Pastoren und Pfarrer in Yad Vashem.

Dan Diker vom World Jewish Kongress warnte vor einer neuen „Wannsee-Entscheidung“ zur Vernichtung der Juden durch den iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad. Diker forderte die deutschen und österreichischen Pastoren und Christen heraus: „Liebe Theologen, werden Sie sich an unsere Seite stellen? Werden Sie zu Ihrer Regierung, den Medien, Ihren Gemeinden sprechen und für Israel einstehen? Ich glaube, dass Sie es tun werden. Wer hätte je gedacht, dass Millionen von Christen das jüdische Volk mit offenen Armen empfangen würden, wie sie es heute tun? Lassen Sie uns zusammenarbeiten!“

Propst Dr. Uwe Gräbe dankte der ICEJ herzlich für die Organisation der Gedenkveranstaltung. „Es ist ein Segen, dass diese Veranstaltung stattfindet“, so Gräbe.

Der Gedenkfeier in Yad Vashem schloss sich ein Gebetstreffen der deutschen und österreichischen Teilnehmer im Gebetsturm der King-of-Kings-Gemeinde in Jerusalem an. Teil des abendlichen Abschlussprogrammes wird eine Liveschaltung zu der parallel in Berlin stattfindenden Gedenkveranstaltungen von Christen an der Seite Israels sein.

Empfang bei Oberrabbiner Jona Metzger

Bereits am Donnerstagvormittag waren die Teilnehmer im israelischen Oberrabbinat in Jerusalem vom aschkenasischen Oberrabbiner Jona Metzger empfangen worden. Metzger hieß die christlichen Delegierten herzlich willkommen und betonte die guten Beziehungen zwischen dem jüdischen Volk und Deutschland. „Wir freuen uns über die Unterstützung der deutschen Bundeskanzlerin und des Deutschen Bundestages“, erklärte Metzger. „Sie verstehen unsere Situation.“ In Deutschland gebe es derzeit die niedrigste Rate von Antisemitismus-Vorfällen in ganz Europa, so Metzger. „Es gibt einige Neonazis, aber das sind wenige Extremisten.“

Erfreut berichtete der Oberrabbiner, dass er vor kurzem in Hamburg einen neuen Rabbiner ordiniert habe, dessen Großvater zur Zeit Hitlers aus Hamburg fliehen musste. „Gott segne Sie und ihre Familien für Ihre guten Taten zugunsten Ihres Landes und zugunsten Israels“, verabschiedete sich Metzger von den Konferenzteilnehmern. Weiterer Programmpunkt war ein Treffen mit dem Abgeordneten der oppositionellen Kadima-Partei Otniel Schneller, der den Gästen einen Einblick in seine Arbeit als Knessetabgeordneter und in die aktuelle politische Lage Israels gewährte.

Begegnung mit Holocaustüberlebenden und Kriegsveteranen

Am Donnerstagabend fand zudem ein Begegnungsabend mit Holocaustüberlebenden und jüdischen Kriegsveteranen in Zusammenarbeit mit der „Helping Hand Coalition“ im Konrad-Adenauer-Konferenzzentrum in Jerusalem statt. Nach einem gemeinsamen festlichen Abendessen mit viel persönlichem Austausch wurden die ICEJ und das Glaubenszentrum Bad Gandersheim für ihren Einsatz für Israel geehrt. Danach gab das Kammerorchester der Christlichen Musik- und Kunstakademie aus Stuttgart unter der Leitung von Friedemann Meussling zu Ehren der Überlebenden ein klassisches Konzert.

Die Musiker hatten auf ihrer Israel-Solidaritätsreise bereits am Mittwoch im Altenheim für verarmte Holocaustüberlebende in Haifa gespielt, was die Bewohner und Mitarbeiter dort sehr berührte. Am Freitag umrahmten die professionellen Musiker auch die Feierstunde in Yad Vashem. „Ich bin begeistert, dass in so kurzer Zeit so viele Leiter zum Gedenken in Jerusalem zusammengekommen sind“, erklärte Gerry Klein, Leiter der Bibelschule im Glaubenszentrum Bad Gandersheim. „Das ist eigentlich ein Wunder und zeigt, dass Gott etwas bewegt. Ich gehe ermutigt nach Deutschland zurück und werde meinen Studenten berichten und sie ermutigen, sich mehr für die Sache Gottes und für Israel einzusetzen.“