Die oberdeutsch-schweizerische Reformation und ihr Einfluss auf die Freikirchen

Vielschichtige Einblicke in die Rezeption der oberdeutsch-schweizerischen Reformation in den Freikirchen bot dieses Mal die Herbsttagung des Vereins für Freikirchenforschung, die an historischer Stätte, im Chateau de Liebfrauenberg im Elsass, stattfand und etwa 40 Teilnehmer fand.

Prof. Dr. Andreas Mühling (Trier) startete mit einem engagierten Vortrag zur Bedeutung Calvins in den Freikirchen. Dabei relativierte er dessen Bedeutung sogleich und stellte Heinrich Bullinger als bedeutende Figur neben ihn, bzw. Zürich als Stadt Zwinglis und Bullingers neben das Genf Calvins, das eben nicht alles überstrahlte. Am Beispiel des Calvin-Schülers Caspar Olevian schilderte Mühling den Fortgang der Lehren Calvins bei seinen Schülern. Olevian gründete schließlich die Hochschule in Herborn, die der in Genf zu diesem Zeitpunkt in nichts nachstand, so Mühling, und nahezu nicht erforscht sei in ihrer Bedeutung.

Prof. em. Dr. Marc Lienhard (Straßburg) gab einen kompakten und komplexen Überblick über die Reformation im Straßburg des 16. Jahrhunderts. Unter dem prägenden Theologen Martin Bucer zeigte sich Straßburg als recht weltoffene Stadt, in der immerhin Hinrichtungen weithin vermieden wurden, obwohl Dissidenten und Spiritualisten, Pazifisten und Apokalyptiker den verfassten Kirchen das Leben schwer machten.

Nachdem Matthias Lohmann, FeG-Pastor aus München, die reformierten Wurzeln der Baptisten und der Freien evangelischen Gemeinden heraus gearbeitet hatte, widmete sich Dr. Gerrit Jan Beuker (Hoogstede) dem niederländischen Theologen, Politiker, Staatsmann und Journalisten Abraham Kuyper und bot einen engagierten Überblick über dessen schillerndes Leben. Beuker beschrieb die Religionslandschaft der Niederlande als Hauptursache einer starken Säkularisierung, die in Europa ihresgleichen sucht. Jede Abspaltung, jede Denomination hätte eine eigene kulturelle Säule mit Zeitungen, Fernsehsendern u.v.m. gebildet. Diese „Versäulung“ der niederländischen Gesellschaft habe zur Marginalisierung des Glaubens durch Implosion abgeschlossener Säulen geführt.

Die reformierten Wurzeln der Pfingstbewegung

Nachdem Prof. Dr. Thomas Domanyi (Vermes JU/Friedensau) den Gewissensbegriff bei Calvin herausgearbeitet hatte sowie Dr. Juliane Brandt (München) einen Einblick in die Entstehung der reformierten Gemeinden in Budapest gegeben hatte, endete die Herbsttagung mit einem weit gespannten und anregenden Vortrag von Dr. Jean-Daniel Plüss (Zürich) über die reformierten Wurzeln der Pfingstbewegung. Allerdings – so stellte Plüss fest – handele es sich mehr um eine Perzeption, als um eine Rezeption.

Drei Themenfelder strukturierten seinen Vergleich:

  • Zuerst die Abendmahlslehre, die die symbolische Deutung der Reformierten übernahm, aber durch Gedanken der spirituellen Realpräsenz anreicherte, wie sie sich auch bei Bucer finden lassen.
  • Auch im zweiten Bereich, dem Kirchenverständnis, sieht Plüss Parallelen. Dass Glaube und Bekenntnis Kirche konstituieren – wie es Zwingli formuliert hat – das würde auch von Pfingstgemeinden so gesehen. Allerdings sei das Bekenntnis individualisiert. Plüss bezeichnete diese Individualisierung als Hauptursache für den Spaltpilz in der konfessionellen Landschaft der letzten 100 Jahre. DiePfingstbewegung sei für die rasante Vermehrung der Konfessionen und Denominationen maßgeblich verantwortlich.
  • Der hermeneutische Ansatz bildete den dritten Vergleichspunkt. Hier sieht Plüss eine Perzeption von Zwinglis Sichtweise der Schriftauslegung als Kombination aus Literalsinn, einem pneumatologischen Argument sowie dem Gefühl.

Alle Vorträge finden sich im Jahrbuch des VFF 2010, dass voraussichtlich im Frühjahr 2011 erscheinen wird und beim Verein für Freikirchenforschung und im Buchhandel erhältlich sein wird.

 

Christof Lenzen

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