Ich bin einer, den die Gnade fand – Zum 100. Geburtstag von Erich Bially

Heute vor 100 Jahren wurde mein Vater in Ostpreußen geboren. Vom elterlichen Bauernhof in den bereits begonnenen Krieg gerufen, konnte er erst als Spätheimkehrer im Raum Frankfurt/Main ein neues Leben beginnen. Nie hat er vergessen, wie Gott seine Hand über ihn in all den Kriegswirren und den Hungerjahren der Gefangenschaft gehalten hat. Aus Dankbarkeit seinem Schöpfer und Erlöser gegenüber hat er seine Kraft und die ihm anvertrauten Gaben und Talente in den Dienst unseres Herrn Jesus Christus und seiner Gemeinde gestellt.

So konnte er in Hessen mehrere Posaunenchöre gründen, den Hessen-Verband des „Bundes christlicher Posaunenchöre Deutschlands“ (BCPD) mit gründen und mehrere Jahre leiten, sich in der örtlichen und regionalen Gemeindearbeit engagieren und als Laienprediger immer wieder zum Segen für andere sein.

Mein Vater hat mich in das Gemeinde-und Glaubensleben und in die Musik eingeführt. In manches, was er aufgebaut hat, konnte ich später einsteigen (Kinderarbeit/Sonntagsschule, Bläserchor u.a.) und es teilweise auch leiten. Schon als Teenager nahm er mich mit zu einer Laienpredigerschulung – und so durfte ich dann als Teenagern auf unserem Bezirk predigen.

Während meines Austauschjahres in Amerika (1969/70) hat er dreimal am Tag für mich gebetet. Und wie lebensverändernd wurde doch dieses Jahr für mich!

Doch wie ist mein Vater selbst zum lebendigen Glauben an Jesus Christus gekommen?

Darüber schreibt er in seinen Lebenserinnerungen. Ein geistlicher Aufbruch sei in ihrer Familie geschehen, nachdem sein Bruder Wilhelm mit 21 Jahren verstorben ist. Mein Vater berichtet:
„Nach dem Verlust unseres lieben Bruders Wilhelm brach in unserer ganzen Familie ein tiefes Verlangen nach Heilsgewissheit auf. Besonders sein leuchtendes Sterben hinterließ ein unstillbares Fragen nach Heilsgewissheit und nach der Ewigkeit.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie unsere Mutter sich oft zurück zog und eifrig in der Bibel oder einem Andachtsbuch las. Oftmals war sie dann in der kleinen Wohnung, die später als Altenteil bestimmt werden sollte. Dort traf ich sie schon als Schuljunge oft im Gebet und im eifrigen Forschen in der Schrift. Merkwürdigerweise hat man sich bei uns zu Hause über geistliche Dinge nur ganz selten ausgetauscht. Vermutlich wären unsere Eltern zu dieser Zeit damit überfordert gewesen. Sie kamen ja auch erst nach dem Tode unseres Bruders zur vollen Heilsgewissheit …

Während der nächsten Jahre vollzog sich in aller Stille auch bei unserem Vater ein geistlicher Wandel. Sicherlich hat es so manchen Kampf gekostet, bis dieser stolze Bauer seine Erlösungsbedürftigkeit erkannte. An einem Karfreitag bereitete sich die ganze Familie mit Fasten und entsprechenden gelesenen Gebeten auf das Abendmahl in der evangelischen Kirche in Friedrichshof vor. Unsere Mutter war es offensichtlich, die Vater half, während dieser feierlichen Stunde den Glaubensschritt zu vollziehen. Woran ich das als Bub gemerkt habe? Kurz danach fand ich Vaters Tabakpfeife in Pulverform auf dem Hackstock im Holzschuppen. Ich war ergriffen, denn ich wusste sofort was geschehen war. Vater hatte sich mit einem Schlag der elenden Leidenschaft endgültig entledigt. Die Gebete der Mutter hatten gesiegt.“

Interessanterweise hielt man in der Familie Bially dann jährlich Gedenkgottesdienste am Sterbetag meines früh verstorbenen Onkels Wilhelm. Mein Vater berichtet:
„Diese besonderen Gottesdienste waren ein großer Segen für unsere ganze Familie. Besonders meine Schwester Emma erzählte mir, wie sie nach dem Heimgang unseres Bruders oft mit Tränen den Herren suchte. So ging es auch meinen anderen Geschwistern …“

Und schließlich berichtet mein Vater, wie er selbst die ersehnte „Heilsgewissheit“, wie man es damals nannte, erlangte:
„Jeder gläubige Christ ist sich dessen bewusst, dass sein wichtigster Lebenstag in Bezug auf sein für die Ewigkeit bestimmtes Leben der Tag seiner Wiedergeburt oder Bekehrung ist … Indessen war auch ich schon längere Zeit jemand, der die Gnade Gottes ernsthaft suchte. Es hat wohl über ein Jahr gedauert, bis der Heilige Geist mir die Augen für das schon längst vollbrachte Heil öffnete. Solches zu erkennen und ganz persönlich anzunehmen (was hauptsächlich beim Lesen von Auslegungen zum Römer-und Galaterbrief geschah), gab meinem suchenden Geist und meinem schwankenden Glauben einen festen Halt. Es war der 2.4.1937, als mit dieser befreienden Erkenntnis das Licht des Glaubens und jubelnde Freude in mein Leben kamen. Wenn ich danach Gottes Schöpfung betrachtete, sah alles noch schöner als vorher aus. Ich hatte einen neuen Bezug dazu, und auch zu meinen geistlichen Geschwistern in der Gemeinde.

Obwohl diese frohe Heilsgewissheit oftmals, besonders im Kriege und in der Gefangenschaft, angefochten wurde, hat die Treue Gottes mir den Glauben bis heute erhalten. Lob, Ehre und Anbetung gebührt ihm allein, meinem Erlöser und Herrn! Die Erfahrung der Gnade Gottes hat mich stark gemacht, auch in schweren Zeiten an Gottes Eingreifen zu glauben. Er hat mich nicht enttäuscht!“ +

Gerhard Erich Bially, Düsseldorf, den 21.1.2020
(G. Bially ist der Herausgeber der Zeitschrift Charisma, an deren Entstehung seine Eltern maßgeblich beteiligt waren.)