Fluthilfe mit „Haus der Hoffnung“ in Ahrweiler

Ich bin grade am Auspacken. Die Gummistiefel sind noch voll Staub und Dreck in der Plastiktüte. Ein Wäschekorb mit leicht schlammiger Wäsche steht in der Ecke. Einmal Vollwasch-Programm – und dann sollte alles ´rausgehen. Aber die Erlebnisse, die ich aus diesem Gebiet mitbringe, sitzen tiefer! Die Begegnungen mit den Menschen lassen sich nicht so einfach „abwaschen“. Die Menschen in Ahrweiler, Mayschoss oder Bad Neuenahr werden mir sicher noch lange im Gedächtnis bleiben.

Laut Statistik starben dort mindestens 180 Menschen … Eine pragmatische, emotionslose Zahl. Sie beschreibt mitnichten die Schicksale der Betroffenen. Tausende Menschen, die betroffen (und traumatisiert) sind von der Nacht, „als das Wasser kam“.

Mir kommt die Frau in den Sinn, die zehn Stunden lang auf einem Stuhl in ihrer überschwemmten Erdgeschoss-Wohnung stand, bis Helfer sie retteten. Was sie in diesen Stunden durchgemacht hat, kann ich mir kaum vorstellen.

Oder der Mann, der als Soldat in Auslandseinsätzen war: „In Afghanistan hab‘ ich schon viel gesehen. Aber es ist anders, wenn es dich mit deiner Familie auf einmal zu Hause trifft.“

Oder das ältere Ehepaar, das selbst trocken im zweiten Stock saß, aber hilflos die Hilfeschreie von draußen in der Dunkelheit anhören musste.

Die 76-jährige Frau, die seit vier Monaten Witwe ist und nun erfährt, dass ihr Haus nicht zu retten ist: „Was soll ich denn jetzt machen? In meinem Alter fang ich doch nicht nochmal von vorne an!“

Die Hotelbesitzerin: „Jetzt hatten wir nach Corona gerade erst wieder aufgemacht.“

Ich hab‘ Geschichten gehört, die zu tragisch sind, um sie hier zu erzählen – wo ich den weinenden Betroffenen nur ein Taschentuch reichen konnte (und dabei selber versuchte, meine Tränen wegzublinzeln). Begegnungen, bei denen ich die Person in den Arm nehmen konnte und wusste, wie viel mehr Trost eigentlich nötig wäre. Schicksale, bei denen meine Worte im Vergleich zu der Dramatik nur leer und oberflächlich klangen.

Und doch – in diesem ganzen Drama gab es immer wieder Geschichten von Hoffnung.
Große und kleine Wunder:

Der im Schlamm wiedergefundene Ehering.

Oder Vater und Sohn, die die Türe der überschwemmten Wohnung in letzter Minute noch aufstemmen können, um die Mutter zu retten.

Oder die am Kopf verletzte Frau, die nach kurzer Bewusstlosigkeit doch noch zum Ausgang schwimmen konnte.

Der Mann, der auf seinem Balkon hüft-tief im Wasser stand und eine vorbeigeschwämmte Frau grade noch festhalten konnte.

Oder die Situationen, wo wir Helfer gerade zu dem Zeitpunkt klingelten, als die Zukunft wieder so hoffnungslos und die Arbeit so endlos aussah.

Als Mitarbeiter von Jugend mit einer Mission arbeiten wir vor Ort mit dem Haus der Hoffnung, durch das viele christliche Helfer koordiniert werden. Wie schön und bereichernd es ist, wenn man etwas Hoffnung in die Hoffnungslosigkeit bringen kann. Ein offenes Ohr, ein praktischer Tipp – und immer wieder Gebet.

In praktischen Helfer-Teams schippten wir Schlamm und Schutt. Auf unseren T-Shirts stand: „Es gibt Hoffnung!“. Und das war die Botschaft, die wir mit jeder Schubkarrenladung weiter bringen konnten: Hoffnungsboten zu sein und den Menschen zu zeigen, dass Gott sie auch jetzt weder vergisst noch alleine lässt.

Text: Rebekka Bodemer, JMEM-Frankfurt
Foto: Stefan Gängel, Haus der Hoffnung

Hinweis der Charisma-Redaktion:
Weitere Fotos und Berichte z. B. bei www.haus-der-hoffnung-e-v.de/aktuelles und
Heike Malisics Blog vom 15. bis 19. September 2021: http://lebeleichter.com/. NB: Ein ausführliches Interview mit Heike Malisic und die Vorstellung ihres neuen Buches (gemeinsam mit Beate Nordstrand) ist in der Charisma-Herbstausgabe zu lesen, die Ende September erscheint.