Heilung in Berlin

„Jetzt habe ich Freunde in Deutschland“. Die leuchtenden Augen und die bewegte Stimme von Tsadik Shmukler verleihen diesem Satz eine besondere Intensität. Dass er einmal so etwas sagen würde, noch dazu in Berlin, hätte sich der hochbetagte Holocaust-Überlebende aus Israel selbst nicht träumen lassen. Doch die Reise, die er mit elf weiteren Überlebenden diesen Herbst nach Deutschland unternahm, veränderte vieles. „In mir drin ist sehr viel geschehen nach dieser Begegnung“, sagte er am 31. Oktober bei einem Empfang mit Politikern und Pastoren in der Bundeshauptstadt. Möglich gemacht hatte die Reise der Freundeskreis Israel – Lüdenscheid gemeinsam mit der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem (ICEJ).

Schmerzhafte Erinnerungen

Wie viele seiner Mitreisenden war Shmukler noch nie in Deutschland – zu schmerzhaft waren die Erinnerungen. Als Junge überlebte er im Ghetto von Minsk nur deshalb eine Erschießungsaktion der Nazis, weil die Leiche seiner Mutter auf ihn fiel und ihn unter sich begrub. In der Nacht konnte er dann aus dem Massengrab entfliehen und sich zu den Partisanen durchschlagen. „Ich habe vieles überlebt“, bekräftigte er gegenüber seinen Zuhörern.

Dass die Herzen vieler Holocaust-Überlebender noch Heilung benötigen, ist Erika Teller, der israelischen Initiatorin dieser besonderen Gruppenreisen, sehr bewusst. Sie selbst hat das KZ Theresienstadt überlebt. „Ich weiß, dass viele Menschen in Israel immer noch mit diesem Zorn leben, bis heute“, sagt sie. „Doch ich möchte, dass sie ohne Zorn auf Deutschland sterben können. Dafür tue ich alles.“ Erika hat bereits acht Gruppen mit bis zu 30 Personen nach Deutschland gebracht. Aufgrund des hohen Alters der Überlebenden ist die Gruppenreise in diesem Herbst nun leider auch die letzte.

Einsatz gegen das Vergessen

Christoph Scharnweber, politischer Mitarbeiter der ICEJ, bedankte sich auf dem Empfang herzlich bei Erika Teller für ihren Einsatz gegen das Vergessen. „Wir müssen deutlicher als je zuvor auf Antisemitismus in unserem Land hinweisen und … alles dafür tun, damit die Stimme der Holocaust-Überlebenden in Deutschland auch in den kommenden Generationen gehört wird“, sagte er. Dafür sorgten die rüstigen Senioren dann mit viel Einsatz und Elan während des zweiten Teiles ihrer Reise. Nach ihrer Hauptstadtvisite, die auch einen Begegnungsabend in der Gemeinde auf dem Weg von Pastor Wolfhard Margies (Berlin) beinhaltete, sprachen sie in Nordrhein-Westfalen zu über 1000 Schülern.

Zeugnisse der Hoffnung

Die ICEJ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebensgeschichten der Holocaust-Überlebenden aufzuzeichnen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Bewegende Zeugnisse von Mut, Leid, Versöhnung und Heilung sind im Internet unter www.faszinationisrael.de als halbstündige Filmclips abrufbar. Moderiert werden sie von Gottfried Bühler, dem ersten Vorsitzenden der ICEJ. „Ihre Anwesenheit zeigt uns hier und heute den Triumph des Lebens über den Tod“, sagte er in Berlin zu den israelischen Gästen. „Sie geben uns allen Hoffnung auf eine bessere gemeinsame Zukunft.“

Weitere Informationen zur ICEJ: www.icej.de; www.faszinationisrael.de

Text: Lisa Schmid, Ass. iur., leitet nach fünfjährigem Israelaufenthalt die ICEJ-Redaktion in Stuttgart.
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Tsadik Schmukler erzählt seine Lebensgeschichte.