Schwierige Regierungsbildung in Israel zu erwarten

Nach dem knappen Ausgang der vorgezogenen Parlamentswahlen in Israel haben sich sowohl Außenministerin Zipi Livni (50) von der Kadima-Partei als auch Benjamin Netanjahu (59), der Vorsitzende der oppositionellen Likud-Partei zu Wahlsiegern erklärt.

Das endgültige Ergebnis der 18. Parlamentswahlen in der gut 60-jährigen Geschichte des Staates Israel wurde am vergangenen Donnerstag offiziell bekannt gegeben. Danach erhielten von den insgesamt 120 Sitzen der Knesset die Kadima-Partei von Zipi Livni 28 Mandate, Netanjahus Likud-Partei 27, Liebermans Israel-Beiteinu-Partei 15, Baraks Arbeiterpartei 13, die orthodoxe Shas-Partei 11, die Thora-Partei Yahadut Hatorah 5, die Nationale Einheitspartei 4, die neue Nationalreligiöse Partei Habeit Hayehudi 3, die linksliberale Meretz-Partei 3 und die drei arabischen Parteien zusammen 11 Mandate. Die Wahlbeteiligung lag bei 65%. Von den 120 neugewählten Abgeordneten sind 21 Frauen, vorher waren es 17.

Staatspräsident Schimon Peres hat nach Vorlage des amtlichen Endergebnisses die Aufgabe, einen Kandidaten mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Das israelische Wahlsystem sieht vor, dass der Präsident dabei nicht unbedingt die stärkste Fraktion berücksichtigen muss, sondern dass der Kandidat mit den besten Aussichten auf eine Mehrheit in der Knesset beauftragt wird. Netanjahu sagte am Mittwoch, er werde „mit Gottes Hilfe“ Israels nächster Ministerpräsident. Noch in der Wahlnacht hatte er die Vorsitzenden aller Rechtsparteien angerufen, um sich ihre Unterstützung zu sichern. Livni dagegen strebt laut Aussagen von Vertrauten eine große Koalition mit dem Likud-Block an. Sie hatte Fernsehberichten zufolge gesagt, man werde die nächste Regierung bilden, weil das Volk ihre Kadima-Partei gewählt habe.

Nach Ansicht von Beobachtern steht Israel vor einer schwierigen Regierungsbildung. Die Jerusalemer Nachrichtenagentur israel heute beurteilt die Aussichten Netanjahus folgendermaßen: „So wie es jetzt aussieht, kann Zippi Livni trotz ihrer einen Stimme Vorsprung vor Netanjahu keine Regierungskoalition bilden, denn sie würde ohne die 11 Araber nur 44 Mandate auf sich vereinen. Netanjahu dagegen könnte mit seiner Likud Partei und dem religiösen und rechten Lager von den 120 Knessetmandaten eine Mehrheit von 65 Mandaten auf sich vereinen, um eine Koalition bilden zu können.“ Denkbar ist aber auch, dass Netanjahu zusammen mit Zipi Livnis Kadima-Partei eine „nationale Einheitsregierung“ bildet, wobei er selbst den Posten des Regierungschefs übernimmt.

Aufgrund dieser Konstellationen wird allgemein erwartet, dass Staatspräsident Schimon Peres in der kommenden Woche Netanjahu beauftragen wird, eine Regierungskoalition zu bilden. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass sich aus der Position Avigdor Liebermans Probleme ergeben. Dieser hatte gefordert, dass die Regeln für den Übertritt zum Judentum erleichtert werden müssten. Die Nachrichtenagentur israel heute beschreibt diese Zusammenhänge folgendermaßen: „Viele Juden wanderten aus Russland mit unklaren Glaubensverhältnissen nach Israel ein, so dass das Oberrabbinat von ihnen nachträglich eine strenge Konvertierung verlangt, die aber will Lieberman liberalisieren, wenn er mit seinen 15 Mandaten Netanjahu unterstützen soll. Netanjahu braucht aber auch die 11 Mandate der orthodoxen Schass Partei. Die aber warb im Wahlkampf mit ‚Wer Lieberman wählt, begeht eine unvergebbare Sünde‘. Netanjahu meint jedoch, dass er diese beiden Gegensätze überbrücken kann – und wenn nicht, dann formt er zusammen mit Zippi Livnis Kadima Partei eine Nationale Einheitsregierung.“

Außenministerin Livni will den Nahost-Friedensprozess fortsetzen, während Netanjahu ihn in seiner gegenwärtigen Form ablehnt; seiner Meinung nach sei er mit zu großen Zugeständnissen an die Palästinenser verbunden. Palästinenser äußerten sich enttäuscht über den Wahlausgang. Der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erekat äußerte sich besorgt darüber, dass die künftige israelische Regierung möglicherweise nicht in der Lage sein werde, den Friedensprozess mit den Palästinensern oder Syrien voranzutreiben. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ließ erklären, dass er mit einem israelischen Ministerpräsidenten, der den Friedensprozess ablehne, nicht verhandeln werde.

Quellen: Newsletter der Botschaft des Staates Israel / Abteilung Öffentlichkeitsarbeit (E-Mail vom 13.2.2009) sowie Meldungen und Kommentare der Nachrichtenagentur israel heute (http://www.israelheute.com/default.aspx?tabid=179&nid=18216; Abrufdatum 13.02.2009)