Erfahrungen mit Jüngerschaft

In dieser Woche, in der wir besonders der Wiedervereinigung unseres Landes und Volkes gedenken und Gott dafür danken, möchten wir einen Pionier der geistlichen Erneuerung und der Jüngerschaftsschulung in der ehemaligen DDR zu Wort kommen lassen: Eckhard Neumann. Dies ist zugleich eine Ergänzung zu seinem Beitrag in der vor wenigen Tagen erschienenen Charisma 162, S. 20. Wenn Sie die Printausgabe nicht besitzen, möchten wir Sie Ihnen gerne schenken. Bitte klicken Sie hier. (Redaktion)

Erfahrungen mit Jüngerschaft

In das Thema Jüngerschaft bin ich „hineingestolpert“, als nämlich 6 Jugendliche in meine Ostberliner Wohnung kamen 1980/81 und mich fragten, ob sie meine Jünger eine Zeitlang sein können. Eigentlich beruft das Vorbild seine Jünger. Nachdem die Bedingungen (Treffen, Zeitaufwand, Reisen) vereinbart waren, begann das Abenteuer.
Eine weitere Quelle war die Tatsache, dass die bei den charismatischen Wochenend-Jugendrüsten aufgebauten Jugendlichen nach einigen Monaten wieder Seelsorgeempfänger waren. Durch das Studium der Glaubensväter wusste ich, dass eine charakterliche Änderung erst nach längerem Verbleiben unter dem Wort Gottes geschieht. Durch den Kontakt mit Keith Warrington hörte ich von 6-monatigen Vollzeit-Jüngerschaftsschulen. Es kostete 3 ½ Jahre beten und warten bis wir (meine heimgegangene Frau Christel und ich) 25 Jugendliche zur 1. Vollzeit-Jüngerschaftsschule 1984 namentlich berufen konnten.

Voraussetzung war eine Gesetzesänderung 1983 in der DDR, wodurch die Pflicht zur Arbeit wegfiel; sonst hätte man die Jugendlichen aus den Schulen zur Arbeit in ihren Betrieben verpflichten können. Alle Jugendlichen sagten zu, obwohl sie aus dem Beruf 4 Monate herausgehen mussten. Wir lebten 4 Monate in einem Heim mit ihnen zusammen. Gott gab Gnade durch Lehre, Gebet, Seelsorge, Lob und Korrektur zu einer charakterlichen Veränderung und Stabilität. In einem 7-Bettzimmer war auch ein Idealplatz um Demut, den anderen höher achten zu lernen.

Weitere 12 Schulen folgten. Ab Schule 5 taten das die jüngerschaftlich herangebildeten ehemaligen Schüler, die erst als Mitarbeiter lernten und dann zu Leitern reiften. Diese ca. 2 Jahre, die wir ins Reich Gottes investierten (mit seiner Weiterführung) haben sich mehr als gelohnt. Es gingen aus den Schulen Pastoren, Älteste, Lobpreisleiter, Missionare, Diakone, Mitarbeiter hervor. Auch waren viele keine Seelsorgeempfänger mehr, sondern waren in der Lage anderen zu helfen. Als wir auch keine 100 % Erfolgsquote hatten, tröstete mich das Erlebnis Jesu mit Judas.
Da z. Zt. keine Jüngerschaftsschulen angeboten werden, wird aber der Jüngerschaftsgedanke im vollen Maß in den Bibelschulen für Berufstätige und Teenie-Bibelschulen realisiert. Nach einer Lehre wird den Schülern Luk. 6,12-13 nahe gebracht. Jesus betete eine ganze Nacht und berief danach 12 (noch „ungläubige“) Jünger namentlich und alle sagten ja. Die Schüler bei uns bekommen dann die Aufgabe, in den nächsten 4 Wochen bis zum nächsten Treffen solange zu beten, bis sie auch mindestens einen Namen haben, um mit dieser(n) Person(en) ein Jüngerschaftsverhältnis zu vereinbaren für mindestens 6 Monate bis 1 Jahr. Während die ca. 25 Teenies aus einer Schule jeder mindestens 1 Jünger hatten, war die Erfolgsquote bei den Erwachsenen nur bis ca. 70-75 %. Aber manchmal legt der Herr nach. Eine Architektin hatte nach 4 Wochen keine Jüngerin. Viel später wachte sie nachts auf und hatte plötzlich einen Namen. Am nächsten Morgen rief sie diese Frau an und bot ihr Gespräche über den Glauben an. Sie sagte sofort zu! In meinem Dienst trainierte ich ständig meine Mitarbeiter durch Seelsorge, Lob und Korrektur. Einige sind heute in leitenden Positionen.

Beispielgebendes geschieht durch eine ehemalige Bibelschülerin in ihrer Heimatgemeinde. Diese Frau (auch dort im Leitkreis) hat es sich zur Aufgabe gemacht, jedem Neubekehrten am Tag seiner Bekehrung eine geistliche Mutter (wenn es Mädchen sind) bzw. einen geistlichen Vater (bei Jungen) zu vermitteln. Es ist im Altersdurchschnitt die jüngste neue charismatische Gemeinde in den neuen Bundesländern, die mit Fluktuation wenig zu tun hat.
Jüngerschaft kann nur erfolgreich sein, wenn wir – neben Lob – auch den Mut zur Korrektur aufbringen. Es ist fraglich, ob Treffen (auch wenn sie den Namen Jüngerschaft haben) ohne Seelsorge mit Charakterveränderung als Jüngerschaft angesehen werden können.

Erschütternd war jedoch eine Aussage von Rick Joyner, USA, die er in der Gemeinde auf dem Weg, Berlin, am 22.6.12 machte: Er sagte, dass nach einer Analyse in den USA nur 6 % der Christen Jünger machen, d.h. 94 % tun das zur Zeit nicht, sie negieren Jesu Befehl. In Deutschland sieht es wohl nicht besser aus. Ich möchte Mut machen zu einem Neustart: Nämlich nach Gebet und namentlicher Berufung Jüngerschaftsverhältnisse fest zu machen. Viel Erfolg! Es kostet aber auch für das Vorbild einen Preis an Zeit, Herzblut u.a.