„Berger trifft Berger“ Tagung im GGE-Zentrum Obernkirchen, 29. Sept. 2009

„Es war eine einzigartige Begegnung zwischen einem christlichen Theologen und einem Gemeindeleiter einer messianischen Gemeinde in Jerusalem …“ so beginnt Pfarrer Quaas seinen Bericht für Charisma vom 29.9.09. Tags zuvor waren sich „die beiden Berger“ erstmals in ihrem Leben in Castell begegnet. Mehr darüber in der nächsten Charisma-Print-Ausgabe. Doch hier vorab den Online-Bericht von F. Quaas:

Prof. em. Dr. Klaus Berger (Heidelberg) und Pastor/Rabbi Benjamin Berger (Olive-Tree Fellowship) hielten jeweils eine kurze Ansprache. Danach war Zeit für Fragen und Antworten. Prof . Berger stellte in seinem Referat die provokante Frage: „Ist die messianische Bewegung eine Renaissance des Urchristentums?“

In jedem Fall sind die messianischen Gemeinden eine besondere Herausforderung für die Kirchen. Sie stellen die Verbindung wieder her, die durch die Judenchristen in den ersten Jahrhunderten mit dem Judentum bestand. Man kann sagen, dass die Heidenchristen ohne die messianischen Juden „in der Luft schweben“, ihnen fehlt der Wurzelgrund. Die dringend notwendige Einbeziehung in den Dialog wird durch die Ablehnung der Judenmission gehindert. Die messianische Bewegung erwartet aber zu Recht eine Anerkennung und eine besondere Aufmerksamkeit im Blick auf die Geschichte der christlichen Kirchen in ihren Anfängen. Sie dürfen nicht länger als Störenfriede für den Dialog von Juden und Christen gelten.

In diesem Zusammenhang ist die erste Prophezeiung eines Juden für das Jesuskind aktuell: Der greise Simeon nimmt das Kind auf seine Arme, als es in den Tempel gebracht wird und spricht die Worte über ihn:“ Mit meinen Augen habe ich deinen Retter (Jeschua) gesehen, den du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht zur Erleuchtung (Offenbarung) der Heiden und zur Ehre ( Herrlichkeit) deines Volkes Israel.“ (Lk 2, 30-32).

Jesus übernimmt die Berufung für Israel, ein Licht für die Völker zu sein. Er verbindet Israel mit den Völkern. Darum sind die messianischen Juden die „Oekumene im Ernstfall“, sie stellen heute diese Verbindung dar, die lange abgerissen war. Es gilt also, das Fremde, das uns mit den messianischen Juden begegnet, als etwas Eigenes neu zu integrieren! Durch sie können wir Jesus als Juden neu für uns entdecken!

Zunächst erscheint uns die Vielfalt der messianischen Juden verwirrend. Dabei sind zwei Dinge positiv zu vermerken:
1) Ihnen fehlt die Hierarchie, die wir in den Kirchen haben (man könnte auch sagen: die Dogmatik) und
2) in ihrer Vielfalt können wir die Wirkung des Heiligen Geistes in der charismatischen Vielfalt erkennen.

Prof. Berger meint, dass es in der Begegnung mit messianischen Juden natürlich auch um die Frage der Judenmission geht, und wir können dabei die Last der Schuld, die vom Holocaust her auf der Kirche liegt, nicht ausklammern, aber vor allem geht es darum, dass wir zur gemeinsamen Anbetung kommen. Wir sind durch den Messias Jeschua verbunden und dürfen mit den Brüdern und Schwestern in der Anbetung des Messias einstimmen in die Lobgesänge Israels, über denen Gott thront.

Wir können von den messianischen Gemeinden lernen, nicht so sehr auf den historischen Jesus konzentriert zu sein als uns vielmehr auf den kommenden Jesus auszurichten. Das haben sie uns voraus, weil sie wissen, dass Jesus bald seinem Volk zum zweiten Mal begegnen wird. Noch steht die Erfüllung der Prophetie des Jesaja und Micha aus, die besagt, dass die Völker zum Zion pilgern werden, um die Tora zu lernen und mit ihr den Frieden (Jes 2,1–4 ; Micha 4,1–5).

Benjamin Berger begann sein Referat mit einem Zeugnis darüber, wie er Jesus als Messias erfahren hat. Er war mit den Eltern mit dem letzten Schiff nach USA emigriert und ist in New York aufgewachsen, seine Eltern waren streng religiös. Für Benjamin war der Holocaust stets gegenwärtig und er hörte von überlebenden Juden oft die Worte: „Gott hat uns verlassen“. So hat er sich mehr und mehr von seiner jüdischen Tradition abgewendet, aber niemals sein Selbstbewusstsein als Jude in Frage gestellt.

Als junger Mann kam er in eine geistliche Krise. Er fragte sich: Woran glaubst du eigentlich? Es war ihm klar, dass es um die Wahrheitsfrage ging. Er suchte aufrichtig nach der Wahrheit.

In dieser Zeit hatte er das einschneidende Erlebnis, dass Gott ihm begegnete in einem überirdischen Lichtstrom. Er konnte nicht verstehen, was da geschah, aber ihm war klar, dass er es mit Gott zu tun hatte. Er sah einen geöffneten Türspalt, es war , als ob ein Pfeil sein Herz träfe und er spürte eine große Liebe und hörte innerlich die Worte: „Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“ und auch den Namen „Jeschua“. Er wusste von da an mit Gewissheit: Jesus ist der Messias. Und er begann, das Neue Testament auf englisch zu lesen.

Beim Lesen wurde ihm der Glaube geschenkt. Der Glaube war kein Ergebnis des Studiums, sondern die Hilfe, zu verstehen.

Weil er aus priesterlichem Geschlecht stammte, musste er jeden Kontakt mit Toten meiden. Das brachte eine Angst vor dem Tod mit sich, die nun wie weggeblasen war! Jeder Zweifel war getilgt und hat sich auch nicht wieder wirklich eingestellt.

Benjamin bekam aufgrund seines Glaubens große Konflikte mit seiner Familie, die ihn nicht verstanden. Später suchte er seine Brüder und Schwestern in den messianischen Gemeinden, die sich nicht als Christen, sondern als „Meschichim“ verstehen. Es war ein großer Schmerz für ihn, dass die Christen die Verbindung zu Israel verloren hatten. Sie haben vergessen, dass der Glaube aus Israel kommt – mit allem, was dazu gehört. Die christliche Wurzel der Kirchen ist doch jüdisch!

Leider kam es im Laufe der Geschichte zu einer gegenseitigen Entfremdung. Und die Frage ist: Wie können wir diese Entfremdung überwinden, wie kommen wir aus dem Dilemma heraus? Es ist ein langandauernder Prozess, und es gibt manche Stolpersteine auf dem Weg der Annäherung zwischen messianischen Juden und Heidenchristen, z.B. das Vorurteil, die messianischen Juden seien Feinde des orthodoxen Judentums, oder die Frage, warum messianische Juden die Beschneidung praktizieren und die jüdischen Feste feiern (mit Bezug auf Jeschua, versteht sich) oder die Frage, warum messianische Juden nicht Mitglieder der christlichen Kirchen sein wollen.

Wie sollen wir uns verhalten? Eine große Aufgabe liegt vor uns. Diese Veranstaltung ist – so Benjamin Berger – ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es ist Gottes Sache, das Begonnene weiterzuführen und ans Ziel zu bringen. Ein Stolperstein sei auch die Meinung, es gäbe zwei Heilswege und zwei Gottesvölker. Das widerspricht völlig der Aussage in Epheser 2, dass Gott beide, Juden und Heiden, in Christus zu einem neuen Menschen geschaffen und beide in einem Leib durch das Kreuz versöhnt hat (V.15f).

Im Blick auf die Frage nach dem Verhältnis von Passah und Abendmahl konnte sich Benjamin Berger der Meinung seines Gesprächspartners nicht anschließen, dass im Abendmahl gar nicht vom Passahlamm die Rede sei. In seiner Gemeinde wird das Abendmahl im Sinn der Tradition so gefeiert, dass auch Christen aus anderen Völkern daran teilnehmen können. Eine solche gemeinsame Abendmahlsfeier im Jahr 2000 wurde als prophetisches Zeichen gedeutet.

Nach Römer 11 ist das Ziel der Heilsgeschichte die Versöhnung Gottes mit Israel und mit den Völkern ( vgl. auch Offb 21,3 „Gott wird bei ihnen wohnen und sie werden seine Völker sein und Gott selbst wird bei ihnen sein.“).

In der anschließenden Aussprache betonte Benjamin Berger:
Viele Christen haben keinen Blick für die Zukunft auf dieser Erde. Aber Gottes Plan ist eindeutig. Israel wird im messianischen Friedensreich ein Licht und ein Segen für die Völker sein, es geht um „die Wiederherstellung aller Dinge“( Apg.3,21-25). Die täglichen Nachrichten sind eine Sache, die biblischen Verheißungen eine andere. Die Schöpfung wird erneuert werden und Jeschua wird König sein über die Erde. Auch die Araber werden eine Zukunft haben in diesem Land, wenn sie Gottes Plan mit Israel anerkennen. Der Islam wird eines Tages fallen und es wird eine Umkehr unter den Arabern geben. Die Geschichte spitzt sich dramatisch zu. Gott führt sein Volk durch Gericht und Gnade. Die Gnade aber triumphiert über das Gericht. Und die Zeit der Gnade dauert noch an.

Friedrich Quaas (evang. Pfarrer i.R.)