Der Marsch des Lebens in Ungarn: „Ein Paradebeispiel der Aufarbeitung“

Der Marsch des Lebens fand im April diesen Jahres in Ungarn, Österreich, den USA und Paraguay in 60 Städten mit insgesamt mehr als 5.000 Teilnehmern statt und setzte damit ein Zeichen der Freundschaft zu Israel und gegen Antisemitismus.

Veranstaltung im Festsaal der jüdischen Gemeinde in Budapest
Veranstaltung im Festsaal der jüdischen Gemeinde in Budapest

Mit 300 deutschen und ungarischen Dauerteilnehmern und Veranstaltungen in zwölf Städten mit weiteren 2000 Teilnehmern führte der Marsch des Lebens in Ungarn auf der entgegengesetzten Route des ehemaligen Todesmarsches 250 km von Sopron nach Budapest. Unter den Teilnehmern waren zahlreiche ungarische und deutsche Nachkommen von Wehrmachtsangehörigen, SS-Leuten, Polizisten und Verwaltungsangestellten, die am Holocaust in Ungarn beteiligt waren. Sie waren gekommen, um die Decke des Schweigens über die Schuld ihrer Vorfahren zu brechen.

Marsch über die Kettenbrücke in Budapest
Marsch über die Kettenbrücke in Budapest

Bei der Hauptveranstaltung im Festsaal der jüdischen Gemeinde in Budapest mit dem Vorsitzenden des Verbands der jüdischen Gemeinden in Ungarn Andras Heisler sowie dem deutschen Botschafter Dr. Matei Hoffmann und zahlreichen kirchlichen Vertretern, bezeichnete der israelische Botschafter Ilan Mor den Marsch des Lebens als ein Paradebeispiel für die Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Der Initiator und Gründer des Marsch des Lebens Jobst Bittner wies auf die deutsche Verantwortung für den ungarischen Holocaust hin. Antisemitismus in Ungarn, so Bittner, könne jedoch nur durch die Aufarbeitung der ungarischen Tätergeschichte überwunden werden.

Am folgenden Tag liefen 400 Teilnehmer über die Kettenbrücke zum Platz vor dem ungarischen Parlament, wo ein Open-Air Event mit dem Holocaustüberlebenden, Schriftsteller und Träger der Buber-Rosenzweig Medaille György Konrad stattfand. Bei einem gemeinsamen Bußbekenntnis verpflichteten sich die ungarischen Teilnehmer dazu, die Decke des Schweigens über Judenhass und Antisemitismus zu zerbrechen und in Freundschaft an der Seite Israel zu stehen.

Versöhnung zwischen einer Deutschen und einer ungarischen Holocaust-Überlebenden
Versöhnung zwischen einer Deutschen und einer ungarischen Holocaust-Überlebenden

Viele Holocaustüberlebende wie der Oberrabbiner und Auschwitz-Überlebende Peter Kardos brachten ihre Dankbarkeit für die außergewöhnliche Aktion zum Ausdruck: „So etwas wird einem nur einmal im Leben gewährt. Ein Rabbiner, der Überlebender des Holocaust ist, begrüßt die Nachkommen der Täter in der Synagoge, die gleichzeitig Mahnmal des Holocaust ist. Mein Vater wurde an der Grenze von ungarischen Pfeilkreuzlern erschossen. Das Treffen mit Ihnen heute ist für mich buchstäblich ein seelischer Schadensersatz nach 70 Jahren.“ Kirchenvertreter wie der katholische Bischof János Székely und der Vorsitzende des ungarischen Pfingstbundes Albert Pataky sprachen bei den Veranstaltungen öffentliche Bußgebete für die Mitschuld der Kirchen am Holocaust.

Zum Abschluss schlossen sich die Teilnehmer des Marsch des Lebens dem „March of the Living“ in Budapest an. Bei der Veranstaltung mit 25.000 Teilnehmern gehörte Jobst Bittner zu den Hauptsprechern. Frank und Bärbel Pfeiffer begleiteten als Nachfahren der deutschen Tätergeneration einen Zug der Erinnerung nach Ausschwitz.

Jobst Bittner spricht auf dem „March of the Living“ vor 25.000 Personen
Jobst Bittner spricht auf dem „March of the Living“ vor 25.000 Personen

Der Marsch des Lebens in Ungarn wurde von über 20 Vertretern fast aller kirchlichen Denominationen und Vertretern verschiedenster Gruppen des gesellschaftlichen Lebens unterstützt. Anlässlich des 70-jährigen Gedenktags der deutschen Kapitulation sollen in weiteren hundert Städten Deutschlands, Österreichs, Polens und in anderen europäischen Ländern Märsche des Lebens durchgeführt werden.

Das „Marsch des Lebens“-Banner
Das „Marsch des Lebens“-Banner

Autor: Heinz Reuss,
heinz.reuss@tos.info,
www.marschdeslebens.org