La-Ola-Wellen für Europa

Augsburger Event „Miteinander für Europa“

Um die 300 Leute stehen trotz Regen auf dem Rathausplatz Augsburgs, machen La-Ola-Wellen und schreien dabei „Ja“. Da mag man sich doch fragen, was das Ganze eigentlich zu bedeuten hat. Die Antwort ist ganz einfach: Christen wollen durch das Event „Miteinander für Europa“ (MfE) überkonfessionell ihre Verbundenheit zeigen und ihr Ja dafür geben, in allen Gesellschaftsbereichen Verantwortung zu übernehmen.

Mehr als 50.000 Leute – so eine Schätzung der Veranstalter – nahmen am 12. Mai 2012 europaweit in insgesamt 130 Städten an der Veranstaltung „Miteinander für Europa“ teil, darunter 30 Orte in Deutschland. Dabei ging es darum, für ein Europa in Vielfalt und Geschwisterlichkeit einzutreten.

Auch in Augsburg beteiligten sich etwa 300 Teilnehmer. Augsburg ist sogar einer der Ursprungsorte der MfE-Bewegung, da dort im Jahr 1999 die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre unterzeichnet wurde, in der Lutheraner und Katholiken bezeugten, dass sie in ihrer Rechtfertigungslehre übereinstimmen. An demselben Tag kamen dann nachmittags in Ottmaring Verantwortliche verschiedener evangelischer und katholischer Bewegungen und Gemeinschaften zu einem Treffen zusammen. Sie alle hatten den Wunsch, sich miteinander von Gott führen zu lassen.

Im Anschluss daran gab es immer wieder Begegnungen und Treffen; herausragend waren die beiden „Europa-Tage“ in Stuttgart (2004 und 2007; jeweils über 10.000 Teilnehmer). Der zentrale Ausgangsort des diesjährigen dritten MfE-Events war Brüssel. Jede teilnehmende Stadt setzte in unterschiedlicher und meist kreativer Art Akzente. Denn auch der Rest der Stadt sollte aufmerksam gemacht werden. So organisierte z. B. die Stadt Esslingen in Deutschland ein fair-play-Fußballturnier und die Beteiligten in Tirana (Albanien) führten eine Park-Reinigungsaktion durch.

Augsburg hingegen setzte auf den zu Anfang beschriebenen La-Ola-Flashmob. Aber es gab im Rathaus von Augsburg noch viel mehr zu tun, zu sehen und zu hören. An verschiedenen Infoständen konnten sich die Besucher über die programmatischen „Ja-Statements“ des MfE informieren: An sieben Ständen ging es um das Ja zum Leben in allen Phasen seiner Entwicklung, Ja zu Ehe und Familie, Ja zum Schutz von Umwelt und Natur, Ja zum Leben mit den Armen, Ja zu einer Wirtschaft, die sich am Menschen und am Gemeinwohl orientiert, Ja zu Frieden und Ausgleich in der Gesellschaft und Ja zu Kindern und Jugendlichen. So konnten Initiativen aus verschiedenen Konfessionen gemeinsam ihr Anliegen weitergeben. Mit von der Partie waren auch Mitarbeiter von Jugend mit einer Mission Hurlach.
Auch das anschließende Programm, das von Dr. Gabi Ballweg moderiert wurde, war bunt gestaltet. So gab u. a. Oberbürgermeister Dr. Gribl seine Gedanken über MfE weiter. Dieses Miteinander zu gestalten sei eine schwierige und komplexe Aufgabe; die christliche Grundhaltung könne dazu beitragen, dass dieses Miteinander gelingt, so Gribl.

Durch ein Interview in Form von Theaterszenen kamen christliche Zeitzeugen aus verschiedenen Jahrhunderten zu Wort, die zeigten, dass Annahme und Liebe zwischen den unterschiedlichen christlichen Bewegungen in Augsburg Tradition haben – z. B. Afra, eine Märtyrerin aus dem 4. Jahrhundert, die aufgrund ihres Glaubensbekenntnisses zum Tode verurteilt wurde. Ebenso traten die originelle Postpackerin Jehle auf und der Pfarrer Dr. Max-Josef Metzger (Gründer der Una-sancta-Bewegung, 1944 hingerichtet). Samuel Urlsperger (18. Jahrhundert), der die Salzburger Emigranten aufnahm und europaweite Freundschaften pflegte, wurde von Pfr. Gottlob Heß gespielt. Sie alle machten deutlich, dass Augsburg nicht nur die Stadt der Puppenkiste ist, sondern das Miteinander der Konfessionen in Deutschland und Europa wesentlich beeinflusst hat – insbesondere während politischer und gesellschaftlicher Krisenzeiten.

Interessant waren auch die Aussagen der Repräsentanten der verschiedenen christlichen Bewegungen und Gemeinschaften. Auf die Frage, was für sie persönlich das MfE bedeutet, kam immer wieder – wenn auch verschieden akzentuiert – die Antwort, dass dieses Miteinander Hoffnung und Liebe vermittle.

Neben der netten Geste des Café Eber, das 300 „Friedenswecken“ stiftete, soll die Live-Berichterstattung vom Event in Brüssel am Nachmittag nicht unerwähnt bleiben. Dort heizte u. a. Judy Bailey dem Publikum mit Liedern wie „Get up“ ein. Kinder und Jugendliche berichteten von ihrer Sicht über Europa und auch der italienische Minister und Karlspreisträger Prof. Andrea Riccardi beteiligte sich mit einer Ansprache an dem Programm: Europa habe Grund zur Hoffnung und müsse seine Verantwortung in der Welt wahrnehmen. Der Karlspreisträger forderte die Bürger Europas auf, dem Pessimismus nicht nachzugeben und auch nicht zu meinen, die Krise allein bewältigen zu können. „Die Kultur der Einheit kann Europa eine neue Seele schenken“, sagte er.

Dass dies der entscheidende Punkt sei, findet auch eine Mitarbeiterin des interkonfessionellen Missionswerks Jugend mit einer Mission. Sie verweist auf den Populationsanteil der christlichen Kirchenmitglieder in Europa von ca. 75% (Stand: 2009) und sagt: „Wenn wir uns dessen bewusst werden, über Grenzen hinwegsehen und endlich eins werden, dann können wir durch Gott und das Wirken des Heiligen Geistes seine Liebe nach Europa tragen. Wir können auf praktische Weise das Evangelium ausleben.“ Das christliche Erbe Europas versteht sie als eine Verpflichtung: „Dass Europa vom Christentum geprägt ist, wird jedem schnell klar, der die europäische Geschichte studiert. Doch wir müssen etwas unternehmen, wenn dies auch in Zukunft gelten soll. Vor allem müssen wir endlich begreifen und umsetzen, was Jesus sagte und was auch heute hier wiederholt wurde: ‚An eurer Liebe zueinander werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid.‘“

Regina Enns

Info-Links

– Hintergrund-Infos: http://miteinander-wie-sonst.org/
– Europa-Übersicht: www.together4europe.org
– Ja-Statements: http://miteinander-wie-sonst.org/siebenmal-ja

Zwei Interviews zum „Miteinander für Europa“-Tag in Brüssel und Tirana können Sie hier lesen.
2012-05-18_Ergänzung (MfE-Brüssel)
2012-05-18_Ergänzung (MfE-Tirana)

Zur Autorin:
Regina Enns (21) ist Mitarbeiterin des internationalen und interkonfessionellen Missionswerks Jugend mit einer Mission (JMEM) und arbeitet im Berliner Zentrum mit.