Otto von Habsburg

Ein „Jahrhundertleben“ ging zu Ende

„Ahnungslos machte ich den Fernseher an, und plötzlich verging mir Hören und Sehen: Salutschüsse, kaiserliche und königliche Uniformen, Tirolerhüte, Kaiserhymne. Was ist denn das für ein Ereignis?

Rein zufällig bin ich am vergangenen Samstag beim Zappen in die Trauerfeier für Otto von Habsburg geraten, der vor zwei Wochen im Alter von 98 Jahren verstarb“, schreibt Sigmar von Blanckenburg im heutigen Bibel-TV-Newsletter. Er war wahrscheinlich der letzte Habsburger von internationaler politischer Bedeutung. Vielleicht wurde ihm deswegen die Ehre zuteil, wie viele seiner kaiserlichen Vorfahren in der Kapuzinergruft in Wien beigesetzt zu werden.

Nach der Messe im Stephansdom schien in dem gewaltigen Trauerzug noch einmal der Glanz und der Geist der Donaumonarchie mitten durch Wien zu ziehen. Nach rund zwei Kilometern kam der Zug mit dem Sarg vor der Kapuzinergruft an. Der Zeremonienmeister, in diesem Fall der beste Freund des Verstorbenen, trat vor und klopfte an die Tür der Kirche.

Der Mönch hinter der Tür fragte: „Wer begehrt Einlass?“

Und nun begann der Zeremonienmeister in eindrucksvoller Reihung alle Titel zu verlesen, die das Haus Habsburg im Lauf der Jahrhunderte so gesammelt hat:

„Otto von Österreich, einst Kronprinz von Österreich-Ungarn, königlicher Prinz von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien, Großherzog von Toskana und Krakau, Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steyer, Kärnten, Krain und der Bukowina, Großfürst von Siebenbürgen, Markgraf von Mähren, Herzog von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara, gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradisca, Fürst von Trient und Brixen, Markgraf von Ober-und Niederlausitz und in Istrien, Graf von Hohenems, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc., Herr von Triest, von Cattaro und auf der Windischen Mark, Großwojwode der Wojwodschaft Serbien, etc., etc.“

Am Eindrucksvollsten fand ich das laut vorgetragene „etcetera etcetera“. Das bedeutete, dass da noch viel folgen würde, hätte der Zeremonienmeister nicht Nachsicht mit dem armen Mönchlein hinter der Tür. Aber nun geschah etwas Seltsames: Der Mönch hinter der Tür ging keineswegs vor der Masse der Titel in die Knie, sondern sagte nur:“Wir kennen ihn nicht!“

Nach einer kurzen Pause wiederholte der Zeremonienmeister sein Klopfen. Der Mönch fragte wieder: „Wer begehrt Einlass?“

Darauf spulte der Zeremonienmeister, jetzt schon ein bisschen knapper, alle Titel ab, die Otto von Habsburg in seiner jahrzehntelangen Laufbahn in demokratischen Institutionen gesammelt hatte:

„Dr. Otto von Habsburg, Präsident und Ehrenpräsident der Paneuropa-Union, Mitglied und Alterspräsident des Europäischen Parlamentes, Ehrendoktor zahlreicher Universitäten und Ehrenbürger vieler Gemeinden in Mitteleuropa, Mitglied ehrwürdiger Akademien und Institute, Träger hoher und höchster staatlicher und kirchlicher Auszeichnungen, Orden und Ehrungen, die ihm verliehen wurden in Anerkennung seines jahrzehntelangen Kampfes für die Freiheit der Völker, für Recht und Gerechtigkeit.“

Wieder antwortete der Mönch: „Wir kennen ihn nicht!“ Das war jetzt schon weniger überraschend, aber angesichts der demokratischen Legitimation der Titel auch erschütternd. „Kommen denn Demokraten nicht in den Himmel?“ fragte ich mich. Oder nur nicht in die Kapuzinergruft?

Aber – Gott sei Dank – der Zeremonienmeister klopfte nochmal, und nach dem „Wer begehrt Einlass?“ des Mönchs antwortete er diesmal am kürzesten und knappsten:

„Otto – ein sterblicher, sündiger Mensch!“

Und nun war der Mönch wohl zufrieden und sagte: „So komme er herein!“ Die Türen der Kirche öffneten sich und die Mönche bildeten eine Gasse, durch die der Sarg in die Kapuzinergruft geleitet wurde.

Diese Zeremonie verdeutlicht unseren Wochenspruch „Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.“ Ob nun Kaiser oder Ehrenpräsident oder Ehrendoktor, vor Gott sind wir alle nackt! Und kein Feigenblatt und kein Staatsapparat wird das jemals ändern können. Gott mag sterbliche Sünder, die erkannt und bekannt haben, dass einer, der Sohn Gottes, ihre Sünde getragen hat, für ihre Sünde gestorben ist, sein Blut für ihre Sünden vergossen hat.
Dr. Otto von Habsburg war einer, der diesen Glauben teilte. Als Kuratoriumsmitglied im Arbeitskreis Christlicher Publizisten (ACP) hat er sich oft zu seiner christlichen Einstellung bekannt.

Quelle: Bibel TV Newlsletter (22.7.11)

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