Starke Familien verbringen Zeit miteinander

Zu meinen besonderen Kindheitserinnerungen gehören die kostbaren Zeiten, die mein Vater ganz alleine mit mir verbrachte, denn ausser mir gab es noch drei andere Geschwister. Ab und zu durfte ich mit ihm auf die Jagd gehen. An meinem 10. Geburtstag holte mich mein Vater überraschend von der Schule ab und lud mich in die Eisdiele ein. „Du bist mir wichtig, und ich bin stolz auf meine Tochter“ – das war die Botschaft, die bei mir ankam.

Jeder Mensch hat ein tief verwurzeltes Bedürfnis geliebt und angenommen zu werden. Wenn wir uns geliebt fühlen, wird unser emotionaler Tank gefüllt (Dr. Ross Campell benutzt den Vergleich in seinem Buch „Kinder sind wie ein Spiegel“). Ist der Tank voll, reagieren wir ausgeglichen und fühlen uns wohl. Ist der Tank leer, sind wir emotional unzufrieden und unsicher. Wie beim Auto immer wieder Treibstoff nachgetankt werden muss, muss auch unser Liebestank immer wieder aufgefüllt werden.

Gemeinsam verbrachte Zeit zeigt dem Partner/dem Kind „du bist mir wichtig!“ Dabei ist nicht nur die Menge der Zeit entscheidend, sondern vor allem unser echtes Interesse und ungeteilte Aufmerksamkeit, das sich u.a. im Zuhören ausdrückt. Das Herz muss dabei sein und nicht nur technisch ein Job erledigt werden. Ich weiß wovon ich rede. Wie oft habe ich meinen Kindern nur mit halbem Ohr zugehört und dabei meine eigenen Gedanken gesponnen. „Mama, du hörst gar nicht richtig zu!“ Also – Zeitung weglegen, Computer und Handy aus, auf Augenhöhe gehen und mich dem Kind/ dem Partner ganz zuwenden.

Auch gemeinsame Erlebnisse können effektiv den emotionalen Tank füllen, z.B. ein Spaziergang zu zweit, eine gemeinsame Mahlzeit, sogar gemeinsame Arbeit, wenn dabei die Gemeinsamkeit gegeben ist. Gemeinsame Mahlzeiten sind übrigens ein idealer Rahmen, sich auszutauschen und einander zuzuhören. Mit Teenagern im Haus waren diese Zeiten bei uns umkämpft. Musikunterricht, Sport, Freunde… Wenn wir nicht aufpassten, gab es kaum noch Gelegenheiten als Familie gemeinsam am Tisch zu sitzen. Wir vereinbarten, dass jeder – bis auf seltene Ausnahmen – zum Abendbrot da ist. Bei unseren gemeinsamen Mahlzeiten haben wir über die Ereignisse und Erlebnisse des Tages gesprochen, diskutiert, gelacht, manchmal auch geweint und füreinander gebetet. Oft blieben wir noch lange nach dem Essen sitzen. Unser Esstisch wurde zum zentralen Punkt im Familienleben.

Vor einigen Jahren besuchte uns ein älterer Missionar. Als er in unserem Fotoalbum blätterte und die Bilder von unseren Kindern betrachtete, meinte er wehmütig: „Ich habe diese Zeit bei meinen eigenen Kindern verpasst, weil ich immer unterwegs war im Dienst für den Herrn. Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen.“ Diese Begegnung hat uns damals tief beeindruckt und wir nahmen uns vor es besser zu machen. Es gelang uns nicht immer. Oft jagte ein Termin den anderen und der Kalender war voll mit Seminar- und Beratungsterminen. Als sich wieder einmal jemand verabschiedet hatte, der zur Beratung bei uns zuhause war, meinte unsere damals 5jährige Tochter anschließend „Mama, könntest du mit mir auch mal einen Tee trinken und eine Kerze anzünden?“ Ihre Aussage zeigte mir, dass ich auf dem besten Weg war meine Kinder zu vernachlässigen. Ich musste die Prioritäten neu ordnen.

Die wichtigsten Aufgaben im Blick behalten

Hier können wir Jesus zum Vorbild nehmen. Obwohl er keine Frau und keine Kinder hatte, war die Prägung seiner Jünger (der Menschen, die er als seine Familie bezeichnete) ein fundamentaler Teil seines Dienstes. Als Eltern können wir uns als „Teamleiter“ unseres Familien-Teams verstehen. Uns um das Wohl des Teams zu kümmern, ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Daneben gibt es andere Aufgabenfelder wie Beruf , Gemeinde… Vielleicht kommen wir uns manchmal wie ein Artist vor, der mit einer Vielzahl von Bällen jongliert und dabei auch noch entspannt und begeistert wirken soll. Und wenn ein Ball runter fällt…? Wenn wir es merken und ihn schnell wieder aufnehmen, ist das nicht weiter dramatisch. Auf die Prioritäten kommt es an.

Die Möglichkeiten mögen verlockend sein – aber wie viele Bälle kann ich dauerhaft jonglieren? Wir haben unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen und Kapazitäten. Auch die Anzahl und das Alter der Kinder sowie ihre jeweiligen Entwicklungsphasen setzen Rahmenbedingungen, was in meiner jetztigen Lebensphase möglich ist und was nicht. Manche schaffen es mühelos, 10 Bereiche parallel in Balance zu halten; für andere sind bereits fünf eine Herausforderung. Wichtig ist, dass wir die wichtigsten Aufgaben im Blick behalten. Sich mit anderen zu vergleichen ist oft wenig hilfreich. Und manchmal braucht es „Mut zur Lücke“ (z.B. „die Fenster werden jetzt noch nicht geputzt und ich stehe dazu“).

Die Prioritäten richtig zu setzen und zu balancieren ist eine fortwährende Herausforderung

Meine Beziehung zu Gott, meine Ehe und die Kinder stehen dabei sicher am oberen Ende der Prioritätenliste. Wenn wir z.B. als Ehepaar in dieser Woche keine Zeit für einander hatten, ist es jetzt wichtig, Zeit zu zweit freizuschaufeln. Wenn ein kleines Kind ständig quengelt, oder ein größeres Kind außergewöhnlich schweigsam, traurig oder aggressiv ist, braucht es wahrscheinlich eine extra Portion „ungeteilte Aufmerksamkeit“. Oftmals muss einfach der „emotionale Tank“ dieses Kindes aufgefüllt werden, so dass es sich wieder ausgeglichen verhalten kann. Die emotionale Befindlichkeit unserer Familienmitglieder im Blick zu haben hilft größere Krisen zu vermeiden. Und genau da dürfen wir Gott bitten uns Seine Perspektive für jedes einzelne Familienmitglied zu geben.

Zeit für die Familie, Beruf und Gemeinde unter einen Hut zu bringen ist und bleibt ein Spannungsfeld. Den Kampf um die richtigen Prioritäten nimmt mir keiner ab, aber ich stelle mir gern vor wie Gott mir anerkennend zulächelt und sagt „gut gemacht, Angela!“

Quelle: http://jmem-familiendienst.de/index.php/Ratgeber/Starke-Familien-verbringen-Zeit-miteinander.html(Abrufdatum 23.6.2008)

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