INDIEN: Wie ein „Jesus-Brunnen“ alles veränderte

Der Mann aus dem Slum näherte sich der Luxusvilla. Er wollte nur eines. Hungrig war er nicht, und einen Job hatte er auch. Als die Frau ihm die Tür öffnete, bat er nur um Wasser. „Gehen Sie woanders hin“, erwiderte sie. „Hören Sie auf, ständig zu uns zu kommen!“ Aber Aadesh war viel zu verzweifelt, um sich zurückweisen zu lassen. Die Gesundheit seiner Familie stand auf dem Spiel, und er hatte nicht mehr viel Zeit. Er blieb an der Schwelle stehen und wartete auf Wasser.

In seinem Slum gingen alle jeden Tag zu den Häusern der Reichen und bettelten dort um Wasser. Bis zur nächsten öffentlichen Wasserstelle waren es zwei Kilometer, zu weit, um noch pünktlich zur Arbeit erscheinen zu können. Aber auch wenn Aadesh wirklich früh aufstand, musste er gegen Hunderte seiner Nachbarn ankommen, die sich auch dort bedienten. Und wenn er Pech hatte und die Schlange zu lang war, musste er unverrichteter Dinge den Heimweg antreten, denn die Wasserstelle hatte nur stundenweise geöffnet.

Deshalb klopften die meisten Slum-Bewohner lieber an die Türen der Reichen, die in der Nähe wohnten, und baten dort um Wasser. Lieber betteln als zu spät zur Arbeit kommen und den Job verlieren! „Ich war der einzige Verdiener der Familie“, sagte Aadesh. „Wenn ich nicht zur Arbeit ging, mussten wir mit leerem Magen zu Bett gehen.“

„Murrend wurden ihm dann ein paar Liter des kostbaren Nasses gebracht – gerade genug für den Start in den Tag.“

Aadesh musste manchmal in mehreren Häusern um Wasser bitten, bis jemand auf seine flehentliche Bitte einging. Murrend wurden ihm dann ein paar Liter des kostbaren Nasses gebracht – gerade genug für den Start in den Tag. Später am Tag, wenn die öffentliche Wasserstelle wieder geöffnet war, kämpfte sich Aadeshs Frau zusammen mit anderen Frauen in der Tageshitze wieder dorthin, um mehr Wasser zum Trinken, zum Kochen und zum Putzen zu holen. Sie gaben alles, aber mehr als ein oder zwei Töpfe voll Wasser brachten sie nie von ihrer Wanderung nach Hause. Zu wenig Wasser aber bedeutet Lebensgefahr – Parasiten und Bakterien können immerhin todbringend sein.

Sie brauchten dringend eine Lösung. So baten die Slum-Bewohner die Stadtverwaltung um eine eigene Wasserstelle, aber vergeblich. Wie die übrigen 163 Millionen Menschen Südasiens ohne sauberes Wasser kämpften sie weiterhin Tag für Tag um ihre elementarste Lebensgrundlage. So war das Leben nun mal, und dabei blieb es auch – das heißt, bis zu dem Tag, an dem einige Slum-Bewohner einen Mann namens Maahir kennenlernten.
 
Von den Ideen, die dieser Mann vertrat, hatten sie nie etwas gehalten. Maahir war Pastor von Gospel for Asia (Evangelium für Asien), aber dass er ihnen zuhören wollte, diesem Angebot konnten sie doch nicht widerstehen. Er hörte wirklich aufmerksam zu, und anstatt sie abzuweisen, bot er tatsächlich eine Lösung an: Er kannte Menschen, die mit Vergnügen gerade für sie eine Wasserstelle einrichten würden! Nun, es schien zunächst unmöglich, aber Pastor Maahir hielt Wort und brachte ein Team in den Slum. An einer zentralen, gut zugänglichen Stelle bohrten sie einen Brunnen! Jetzt konnten Arbeiter wie Aadesh schon am Morgen sauberes Wasser holen, ohne zu spät zur Arbeit zu kommen. Und weil der Brunnen rund um die Uhr zugänglich war, konnten die Frauen so viel Wasser holen, wie sie benötigten, und wann immer sie es brauchten.
 

 
„Seit sie den ,Jesus-Brunnen‘ haben, sehen sie die Kirche mit ganz anderen Augen an.“ 

Damit waren ihre Leiden beendet, aber nicht jeder war begeistert davon. Einige hinterfragten Pastor Maahirs Motivation, und sie hielten die Einweihungsfeier für den besten Zeitpunkt, um sich zu äußern. Pastor Maahir sagte gerade, der Brunnen sei gebohrt worden aus Liebe zu den Armen und damit alle die Liebe Jesu kennenlernen sollten, da begann das Protestgeschrei. Sie brüllten: „Wir wollen deinen Jesus-Brunnen nicht!“ Aber keiner schloss sich ihnen an. Nach einigen Minuten gaben sie auf und zogen ab, nicht ohne Pastor Maahir zu drohen: „Na warte! Wir sehen uns noch!“ 

Die übrigen Bewohner haben den Jesus-Brunnen voll und ganz akzeptiert. Jeden Tag kommt Pastor Maahir von der nahe gelegenen Gemeinde persönlich, um selbst Wasser zu holen und mit den Menschen zu sprechen, die zum Brunnen kommen. Seit sie den Jesus-Brunnen haben und sich davon überzeugen konnten, dass Pastor Maahir sich wirklich aufrichtig um sie kümmert, sehen sie die Kirche mit ganz anderen Augen an. Hatten sie sich bisher der Guten Nachricht von Jesus Christus verschlossen, bringen sie Maahir jetzt Respekt entgegen und hören begierig zu, wenn er zu ihnen von der Liebe Jesu spricht.

Und wie ging es mit den Protestierern weiter? Mitten in der Nacht kamen sie zum Brunnen zurück, aber sie richteten keinen Schaden an, sondern holten nur Wasser. Immerhin gab es in der Umgebung nur Salzwasser. Es war doch zu peinlich, vor aller Augen Wasser zu holen, so füllten sie ihre Kessel eben bei Nacht, aber trotzdem randvoll. Maahir betet, dass sie bald ebenso eifrig von dem lebendigen Wasser trinken werden. In Tausenden von Dörfern gebraucht Gott solche Jesus-Brunnen, um Seine Barmherzigkeit und Freundlichkeit zu zeigen und auch die Herzen derer zu ändern, die sich gegen Ihn stellen.
 
Quelle: Shawn Akers, Evangelium für Asien (Joel News, 2012-32)
Titelbild von patrikmloeff