Versöhnung zwischen verfeindeten Volksgruppen – Israelis & Palästinenser

Auf der Langensteinbacher Höhe, bei Karlsbad, trafen sich vom 10. bis 17. August ca. 90 Gemeindeleiter mit ihren Familien und Mitarbeitern aus dem Nahen Osten paritätisch aufgeteilt in messianische Juden und arabische Christen aus Israel und der PA. Alleine die Zusammenstellung der Gruppe ließ schon Spannungen erwarten. Die Stimmung war auch hoch sensibilisiert durch die politisch und auch theologisch fundamental unterschiedlichen Ansichten der beiden Gruppen. Wie kann bei dieser Ausgangslage die Einheit des Leibes Christi wachsen?

Geplant und durchgeführt wurde die Konferenz von der Organisation Musálacha (arabisch für „Versöhnung”), gegründet während der Intifada im Jahr 1990 von Dr. Salim Munayer, eine aus Juden und Arabern bestehende Initiative, die sich die Aufgabe gestellt hat, Einheit unter an Jesus gläubigen Israelis und Palästinensern zu fördern. Dazu werden gemeinsame Freizeiten, Lager und Konferenzen meist auf „neutralem Boden” durchgeführt. Im letzten Jahr nahmen ca. 3000 Gläubige beider Volksgruppen an diesen Veranstaltungen teil. Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich aus Spenden internationaler Herkunft.

Teilnehmer beider Gruppen sind sich einig über die Notwendigkeit dieser Einheit im Dienst für den einen Herrn, Jesus Christus. Evangelisation, Feindesliebe, aktive Gewaltlosigkeit und ein Leben zur Ehre Gottes auf der Grundlage des Wortes Gottes, wie es in der Bibel offenbart ist, sind die Grundlage des Dienstes beider. Abweichende Meinungen entstehen theologisch durch eine unterschiedliche Bibelauslegung vor allem mit Bezug auf eschatologische Konzepte und die Verheißungen für Israel. Das wirkt sich auf das Verständnis der jeweiligen Identität aus und hat daher großes Gewicht.

Theologisch sehen die Palästinenser und große Kreise der Christen weltweit nach dem Kommen Jesu sowie seinem Tode, der Auferstehung und der Himmelfahrt die Mitte des christlichen Glaubens in seiner Person und seinem weltweiten Wirken. Da hat Israel als weltlicher Staat und die Landverheißung keine geistliche Bedeutung. Abrahams Verheißung bezieht sich nach Paulus Römer 4, 13 auf die Welt (griechisch: Kosmos) und nicht das „palästinensische Land”, so wird gelehrt.

Auf der politischen Ebene sehen sich die Araber in Israel als Bürger zweiter Klasse und die Palästinenser in der PA als leidende Opfer. Beide reklamieren historische Rechte zu ihren Gunsten und belegen ihre Kritik durch praktische Erlebnisse aus dem täglichen Leben, wo sie sich gedemütigt und in ihrer Freiheit und den Entwicklungsmöglichkeiten von der für sie als erdrückend empfundenen Macht Israels eingeschränkt fühlen. Sie fordern „Gerechtigkeit und ein Ende der Besatzung”, so werden die Forderungen pauschal formuliert.

Die messianischen Juden ihrerseits sehen ihre Existenzberechtigung vornehmlich in ihrer Berufung durch den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, in den Verheißungen zur Rückführung der Juden in das historische Land der Väter und in ihrer Rolle in der Endzeit vor der Wiederkunft Jesu, des Messias Israels und Heilands der Welt. Die Leiden des palästinensischen Volkes sind ihrer Meinung nach Folgen der verlorenen Aggressionskriege der arabischen Nationen, erheblich verschärft durch den militanten Terrorismus mit seinen Höhepunkten während der Intifada in den Jahren 2000 bis etwa 2003. Das Flüchtlingsproblem wird als ausgeglichen angesehen, denn nach 1948 haben in der Größenordnung etwa gleich viele Juden zwangsweise arabische Länder verlassen müssen wie Araber aus dem heutige Israel geflohen sind. Beide Volksgruppen haben dadurch alles verloren. Eine Rückkehr verbietet sich in beiden Richtungen, so die Sicht Israels.

Das sind unüberbrückbar erscheinende Gegensätze! Eine sachliche Diskussion zum Ausgleich ist zum Scheitern verurteilt. Während der Konferenz wurden hauptsächlich die persönlichen Kontakte intensiviert und dadurch gegenseitiges Verständnis auch für das Leiden und die Ängste aufgebaut. Das geschah durch ein intensives Programm der Begegnung auf den verschiedensten Ebenen. Neben Vorträgen über theologische und psychologische Themen und zahlreichen Gesprächen in Gruppen und einzeln standen auch Spiele und Ausflüge auf dem Programm. Ein vielseitiges Kinder- und Jugendprogramm legte dem Samen der Versöhnung schon in die zukünftige Generation.

Es gab bewegende Szenen von Schuldbekenntnis, bewusste Teilnahme am Leiden des jeweils anderen und gemeinsames, intensives Gebet. Besonders greifbar war die Einheit nach dem Zeugnis eines palästinensischen Christen aus dem Gaza-Streifen, dessen Freund und Leiter der palästinensischen Bibelgesellschaft vor zwei Jahren wegen seiner standhaften Weigerung, den islamischen Glauben anzunehmen, von seinen Entführern ermordet wurde. Alleine das Kennenlernen der persönlichen Sichtweise der anderen korrigiert vieles und bewirkt Verständnis. Es werden eigene Barrieren abgebaut und Brücken geschlagen, was zu einer tragfähigen Gemeinsamkeit auch bei Fortbestand der in diesem Kreis nicht veränderbaren äußeren Gegensätze, z. B. der politischen Lage, führt.

Auf diese Weise wurde viel Segen gewirkt. Es ist wohl kein Teilnehmer nach der Konferenz abgereist, ohne in irgendeiner Weise Veränderung erfahren zu haben. Gewachsene Beziehungen werden mitgenommen und wirken sich in der Zukunft aus. Auch die Kinder hatten prägende Erlebnisse. Jüdische und arabische Kinder, die noch nie mit Kindern der jeweils anderen Volksgruppe gespielt hatten, nahmen wie selbstverständlich an dem gemeinsamen Kinderprogramm teil. Das zieht eine positive Prägung für das Leben nach sich.

Wir sind mit allen Teilnehmern dem Herrn überaus dankbar für diese außergewöhnliche Möglichkeit, Segen und bleibende geistliche Frucht zur Ehre des Herrn zu vermitteln.

Kommentare sind geschlossen.