„WERFT EURE ZUVERSICHT NICHT WEG …!“

Auf dem Jahres-Kongress 2011 der katholisch-charismatischen Erneuerung (CE) in Deutschland hielt Pfr. Bernhard Axt eine bemerkenswerte und zu Herzen gehende Ansprache, in der er zum Gebet ermutigte oder besser gesagt; nie im Gebet nachzulassen, nie aufzugeben. Deshalb auch die Bibelstelle aus Hebräer 10,35.

Jesus sprach: „Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben“ Joh.16,23).
Ich möchte euch dazu eine Erfahrung aus meine Pfarrei berichten, eine Erfahrung mit Bittgebet. Das Besondere daran: Die sichtbare Antwort Gottes darauf kam sehr spät.

Eigentlich gäbe es sehr vieles zum Thema „Bitten“ aus meinem Erleben zu erzählen.
So übergehe ich das überraschende Ereignis, wie Gott unseren charismatischen Gebetskreis ins Leben rief, als ich 1993 nach zwei Jahren als neuer und noch wenig akzeptierter Pfarrer voll im Gegenwind meiner Pfarrei stand.

Ich will nicht berichten über die zunehmende Expansion dieses Kreises mit Initiativen zur Evangelisation seit dem Jahr 2000. Ich will auch nicht erzählen, wie die Gebete anderer mich lange vorher – in den 70er Jahren – zur Charismatischen Erneuerung führten, was mir meinen Priesterberuf rettete.

Nein, ich möchte nur über e i n e n, aber sehr widerständigen Zustand berichten, der 17 Jahre brauchte, um endlich zu wackeln. Neun Jahre brauchte ich zunächst, um diesen Zustand zu analysieren und darüber richtig unzufrieden und traurig zu werden, acht weitere Jahre, um mit Freunde und Staunen zu sehen: Das Problem wankt und reißt auf.

Jetzt muss ich das Thema nennen: Der Zustand der Jugend in unserer Pfarrei. Ich bin seit zwanzig Jahren in derselben Pfarrei. Sie ist eine katholische Land-Pfarrei. Gewöhnlich sagt man, da sei alles noch besser als woanders. Aber es gibt neben erfreulich guten Glaubenstraditionen auch teilweise oder noch mehr so etwas wie eine Abgebrühtheit oder eine geheimnisvolle Resistenz gegen das wirkliche Leben mit Jesus.

Ganz besonders habe ich das bei unseren Jugendlichen empfunden. Es lag und liegt so etwas wie eine glaubensdämpfende Decke über ihnen. Sie besteht unter anderem aus einer zähen Botschaft, die der offiziellen Predigtbotschaft völlig zuwider läuft, einer Art Flüsterbotschaft, die anscheinend durch alle Jahrgänge jüngerer Menschen kursiert. Sie lautet: „Die Sache mit dem Glauben ist gar nicht so gemeint, wie sie verkündet wird. Das ist Brauchtum. Man macht es mit bis zur Firmung. Danach nimmt man den verdienten Abschied.“

Zwar gab es den einen oder anderen Jugendlichen in der Pfarrei, der beim „Jump“ (dem Kinder- und Jugendcamp der katholisch-charismatischen Erneuerung, Anm. der Charisma-Redaktion) dabei war oder begeistert von einem Weltjugendtag zurückkam. Aber sie fanden zuhause nicht zusammen.

Natürlich bin ich auch froh über einen Kinder- und Jugendchor bei uns, der 160 junge Mitglieder umfasst. Da spürte man hin und wieder ein Glaubensflämmchen, das nach kurzem Aufflackern wieder entschwand. Über Glauben redet man nicht und deshalb kann er sich nicht entfalten.

Natürlich versuchten wir in unserem Pfarrei-Planungs-Team alle Tricks, um Jugendlichen etwas Ganzheitliches zu bieten: Glauben und Freude in einem einzigen Paket, vieles ganz niederschwellig angesetzt. Wir machten leider die Erfahrung: Nichts schlug an! Ich ahnte: Es kann nicht an Angeboten und Methoden liegen. Hier muss ein unsichtbares Hindernis durch penetrante Fürbitte weggebetet werden.

Da niemand sonst meine Sicht und mein Anliegen ganz verstand, beschloss ich, ganz allein fast jeden Tag für unsere Jugendlichen zu beten, nur in den letzten Wochen der vielen Jahre unterstützt von einem Fürbitt-Team. Seit dem Jahr 2000 habe ich gebetet.

Ungefähr im Jahr 2006 bestellten wir ein sehr gutes Jugend-Team der JCE (der Jugendarbeit der CE, Anm. der Charisma-Redaktion). Die vier Jugendlichen gestalteten einige Einkehrtage, die wirklich fundiert waren. Die meisten, die kamen um teilzunehmen, waren nicht aus unserem Ort. Darum blieb die Wirkung aus. Die Jugendlichen fanden sich nicht. Heute weiß ich: Die Zeit war noch nicht reif, der „Luftraum über uns“ noch nicht frei gebetet.

Als ich schon langsam im Gebet nachließ – im Sommer 2008 – kamen zwei Jungen zu mir, 15 und 16 Jahre alt. Sie überraschten mich mit der Last und der Hoffnung, die sie im Herzen trugen. Sie sagten: „Mit unseren Jugendlichen muss was geschehen. Es geht um ihren Glauben. Wir möchten etwas in Bewegung bringen.“

Ich nahm mir zwei Stunden Zeit … Wir vereinbarten eine Woche später ein zweites Gespräch. Wieder zwei Stunden. Ich hatte k e i n e Hoffnung. Wie sollte auf einmal etwas gehen, was bei allen vorigen Versuchen scheiterte? Aber ich wollte die beiden nicht enttäuschen. Ich sagte schließlich: „Das einzige, was ich bei meiner Zeit-Überlastung euren Altersgenossen anbieten könnte, wäre ein wöchentliches Bibelgespräch. Das geht bei mir mit wenig Vorbereitung.“ – Aber Bibel? Vom Religionsunterricht weiß man: Beim Rausholen der Bibel klappen bei den Schülern die Augendeckel runter. So wenig erwarten sie davon.

Wir versuchten es trotzdem. Die zwei Jugendlichen entwarfen Flyer und wagten flammende Aufrufe in den Kirchen. Doch beim ersten Treffen im Oktober saßen wir drei alleine da, hatten allerdings ein gutes Bibelgespräch und beteten, das dieser oder jener dazu kommen möge. Das nächste Mal waren wir wieder alleine. Ich hatte bei diesen Versuchen leichte Depressionen und konnte nicht glauben, dass das Vorhaben gelingen könnte. Ich hatte aber zu viel Respekt vor dem Mut der beiden. Ich wollte diesen Mut nicht verletzen.

Das nächste Mal – oder war es das übernächste Mal? –als wir wieder allein, d.h. zu dritt da saßen, fragte ich vorsichtig: „Wollen wir den Versuch aufgeben?“ – „Nein!, sagten sie.
Und in diesem Moment war mir klar: Das ist die Stimme Gottes! Dieser Glaube ist so ungewöhnlich, dass hier Gott spricht. Du musst in diesem Programm Gottes bleiben!

Und dann geschah‘s:
Das nächste Mal war ein weiterer Junge dabei, dann noch einer, dann das erste Mädchen. Bald waren es zehn bis zwölf. Sie machten alle den Mund auf beim Bibelgespräch und sofort beim freien Beten; waren davor und danach furchtbar albern, beim Beten aber total konzentriert. Sie planten einen Einsatz im Altersheim, übten dazu alte Volkslieder und überreichten Bibelkärtchen mit dem persönlichen Kommentar, warum sie die Sätze gut fanden. Bald starteten sie Jugendgottesdienste, die bis heute stattfinden. Und daneben kommen sie immer noch jeden Mittwoch zusammen! Als der erste Jugendgottesdienst geplant war, beugte ich vor und sagte: „Wenn zwanzig zusätzlich kommen, ist das ein großer Erfolg, sollten es dreißig sein, ein wirkliches Wunder.“ Die Jugendlichen trafen sich neun Tage vorher täglich zum Fürbittgebet um ein gutes Gelingen. Gott hatte sich inzwischen für das entschieden, was ich „ein Wunder“ nannte: Es waren beim ersten Mal ca. neunzig Jugendliche da und vierzig „geduldete“ Erwachsene.

Das Ganze läuft bis heute. Natürlich in Wellenbewegungen bezüglich der Besucherzahlen. Und eine „Erweckung“ ist auch noch nicht ausgebrochen. Die Kerngruppe trifft sich immer noch mittwochs zu Bibel und Gebet.

Ich habe das alles erzählt, weil ich glaube, dass es für einige unter uns wichtig ist.
„Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben“, hat Jesus gesagt. Wir dürfen an dem, was Gott uns als Vision gezeigt hat, nicht irre werden: in Pfarreien, in Gebetskreisen, in der Kinder- und Jugendarbeit, in der CE und für ganz Deutschland.

„Werft eure Zuversicht nicht weg“, steht im Hebräerbrief 10,35, „denn sie bringt großen Lohn.“

Für den Druck bearbeitet von Adelheid Bieberich. (Formatierungen von der Charisma-Redaktion.) Mit freundlicher Genehmigung aus: Rundbrief für charismatische Erneuerung in der katholischen Kirche, 3/2011, S. 11–14.

Zum Autor:
Pfarrer Bernhard Axt aus Fulda .